Ursachen von Rissen in Bauwerken

Bedeutung der Rissanalyse

Risse in Wänden, Decken, Böden oder Fundamenten sind ein häufiges Schadensbild im Hochbau. Sie können von rein optischen Beeinträchtigungen bis hin zu konstruktiv relevanten Schäden reichen. Eine fachgerechte Beurteilung setzt voraus, dass Entstehungsmechanismus, Lage, Verlauf, Breite, Tiefe und zeitliche Entwicklung der Risse verstanden werden. Nur auf dieser Grundlage lässt sich entscheiden, ob es sich um tolerierbare Spannungsrisse, um Anzeichen für Setzungs-, Tragfähigkeits- oder Feuchteprobleme oder um eine Kombination verschiedener Ursachen handelt.


Setzungen im Fundament und Baugrund

Unregelmäßige oder übermäßige Setzungen des Baugrundes gehören zu den wichtigsten Ursachen von Rissen in Mauerwerk, Betonbauteilen und Ausbaukonstruktionen. Typische Auslöser sind:

– ungleichmäßige Bodenbeschaffenheit (wechselnde Tragfähigkeit, organische Einlagerungen, Auffüllungen),

– Veränderungen des Grundwasserstandes oder der Bodenfeuchte,

– unterschiedliche Belastungen im Grundriss (z. B. Anbauten, nachträgliche Lasten, punktuelle Einwirkungen),

– unzureichende oder fehlende Gründungsplanung.

Solche Setzungen führen häufig zu schräg verlaufenden oder treppenförmigen Rissen im Mauerwerk, zu Rissbildungen in Decken und zu Verformungen in Tür- und Fensterbereichen. Eine sachverständige Baugrund- und Tragwerksanalyse ist in diesen Fällen wesentlich, um den Umfang und die Relevanz der Setzungen zu bewerten.


Thermische Ausdehnung und Kontraktion

Baustoffe dehnen sich bei Erwärmung aus und ziehen sich bei Abkühlung zusammen. Da unterschiedliche Materialien unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten besitzen, entstehen insbesondere an Materialwechseln (z. B. Beton–Mauerwerk, Stahl–Beton, Putz–Untergrund) Spannungen, die in Rissbildungen münden können.

– Fassaden mit intensiver Sonneneinstrahlung,

– dunkle Oberflächen mit hohen Temperaturwechseln,

– Bauteile mit großen Längen ohne ausreichende Bewegungsfugen.

Typisch sind feine, netzartige oder linienförmige Risse, die vor allem den Oberputz oder Beschichtungen betreffen. Eine Beurteilung erfolgt vor dem Hintergrund von Bewegungsfugen, Putzsystemen und Befestigungsdetails.


Schwinden des Betons und anderer Baustoffe

Frisch eingebaute Baustoffe – insbesondere Beton, Estriche und Putze – unterliegen Schwinden und Trocknungsvorgängen. Wird dieser Prozess nicht ausreichend berücksichtigt, können Schwindrisse auftreten.

– zu schnelle Austrocknung von Beton oder Estrich (fehlende Nachbehandlung, Zugluft, hohe Temperaturen),

– großflächige Bauteile ohne ausreichend Fugen,

– unterschiedliche Steifigkeit und Verformung von angrenzenden Bauteilen.

Schwindrisse sind häufig fein, geradlinig oder netzartig und lassen sich anhand Einbauzeitpunkt, Fugenanordnung und Bauteilgeometrie einordnen.


Konstruktions- und Planungsfehler

Fehler in der Planung oder Ausführung können zu überhöhten Spannungen und damit zu Rissbildung führen. Dazu zählen unter anderem:

– fehlende oder unzureichende Bewehrung in Stahlbetonbauteilen,

– ungünstig angeordnete Öffnungen und Durchdringungen,

– mangelhafte Anschlussdetails (z. B. Decke–Wand, Balkon–Decke, Anbauten ohne Dehnfugen),

– ungeeignete Materialwahl oder falsche Schichtfolgen (z. B. starre Schichten auf bewegungsanfälligem Untergrund).

In diesen Fällen sind Risse oft ein Hinweis auf konstruktive Schwächen, die im Rahmen einer statisch-konstruktiven Überprüfung bewertet werden müssen.


Mechanische Belastungen und dynamische Einwirkungen

Übermäßige mechanische Lasten oder Erschütterungen können zu Rissen und Verformungen führen. Typische Einwirkungen sind:

– Verkehrslasten (z. B. Schwerverkehr in Gebäudenähe),

– dynamische Belastungen (Maschinen, Bahnverkehr),

– außergewöhnliche Einwirkungen wie Erdbeben, Anpralllasten oder Winddruck auf schlanke Bauteile,

– Setzungen infolge zusätzlicher Aufstockungen oder Umbauten.

Die daraus resultierenden Risse können sowohl tragende als auch nicht tragende Bauteile betreffen. Eine Beurteilung erfolgt in Verbindung mit statischen Nachweisen und einer Betrachtung des Lastabtrags im gesamten Tragwerk.


Korrosion von Bewehrungsstahl

Bei Stahlbetonbauteilen kann Korrosion der Bewehrung zu Rissbildung führen. Dringen Feuchtigkeit und korrosive Medien (z. B. Chloride aus Tausalz oder karbonatisierte Betonbereiche) bis zur Bewehrung vor, kommt es zu Volumenvergrößerung der Stahlquerschnitte, die den Beton sprengt.

– Risse parallel zur Bewehrungslage (z. B. entlang von Balken- oder Plattenkanten),

– Abplatzungen des Betons mit freiliegender Bewehrung,

– typischerweise in Bereichen mit Feuchte- oder Chloridbelastung (Balkone, Tiefgaragen, Parkdecks).

Diese Schäden sind sicherheitsrelevant und erfordern eine bauwerks- und instandsetzungstechnische Bewertung, um Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit wiederherzustellen.


Altersbedingte Verschlechterung und Materialermüdung

Mit zunehmendem Alter eines Bauwerks wirken Witterung, Temperaturwechsel, Feuchte und Nutzungseinflüsse über Jahrzehnte auf die Materialien ein. Dies kann zu:

– Materialermüdung,

– Verlust von Bindemitteln,

– Versprödung von Beschichtungen und Mörteln.

Risse durch altersbedingte Prozesse sind oft mit Oberflächenverschleiß, Auswaschungen oder Abplatzungen kombiniert. Eine Bewertung erfolgt stets im Kontext von Baujahr, konstruktivem System und bisherigen Instandsetzungen.


Chemische Reaktionen im Beton und anderen Baustoffen

Bestimmte chemische Reaktionen im Baustoffinneren können zu Volumenänderungen und damit zu Rissbildungen führen. Ein bekanntes Beispiel ist die Alkali-Silika-Reaktion (ASR) im Beton, bei der reaktive Gesteinskörnungen mit alkalischen Bestandteilen reagieren.

– charakteristisch sind unregelmäßige, kartelförmige Rissbilder,

– häufig in Kombination mit feuchten Bereichen,

– langfristige, fortschreitende Schädigung des Betongefüges.

Auch andere chemische Einwirkungen (z. B. Sulfatangriffe, Reaktionen mit Schadstoffen) können je nach Umgebungssituation zu Rissen führen.


Fachgerechte Bewertung und Sanierungsplanung

Die Vielzahl möglicher Ursachen zeigt, dass Risse nicht pauschal bewertet werden können. Entscheidend ist eine sachverständige Rissanalyse, die:

– Rissart, Rissverlauf und Rissbreite dokumentiert,

– mögliche Ursachen technisch herleitet,

– die Auswirkungen auf Standsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit beurteilt,

– daraus abgeleitet geeignete Überwachungs-, Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen vorschlägt.


Auf dieser Grundlage lässt sich entscheiden, ob Beobachtung, Nachbesserung, Instandsetzung oder statische Ertüchtigung erforderlich ist und wie eine nachhaltige Schadensbegrenzung erreicht werden kann.

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